Endlich ist Heiligabend da. Morgens wacht Luce voller Vorfreude mit einem Lächeln auf dem Gesicht neben Jacob auf. Sie kann es kaum erwarten, bis all ihre Freunde da sind. Auf ihrem Handy ist eine Nachricht von Tia eingegangen, dass sie und Arthur gegen 15 Uhr da sein würden. Bis dahin war noch viel zu tun. Trotzdem kuschelte sie sich wenigstens für ein paar Minuten zurück an ihren Freund. Die Zeit nahm sie sich an diesem Morgen.
Einige Stunden später ist alles für die Gäste vorbereitet. Sam und Amara sind bereits da, die den Mistelzweig mitgebracht haben.
„Wo sollen wir den hinhängen?“, fragt Amara Luce.
„Am besten in den Durchgang. Da müssen sie auf jeden Fall entlang gehen. Wir stehen dann direkt hier im Wohnzimmer um den Eingang herum, so dass sie unter dem Zweig nebeneinander stehen bleiben.“, teilt Luce ihrer Freundin mit.
Mit dem Plan sind alle einverstanden. Er ist nicht kompliziert, sollte aber dennoch aufgehen, denkt Luce optimistisch. Gerade als sie die Mistel mit reichlich Tesafilm am Holzrahmen festgeklebt haben, klopft es an der Tür. Luce winkt die anderen Drei noch ins Wohnzimmer, bevor sie die letzten Gäste hereinlässt.
„Tia! Arthur!“, begrüßt Luce sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht, ehe sie sich in ihren Umarmungen wiederfindet.
„Schön, dich endlich wieder zu sehen. Wie geht es dir?“, erwidert Arthur, wobei er ihr brüderlich durch die Haare wuschelt.
„Sehr gut. Ich freue mich, dass ihr es her geschafft habt. Die anderen warten im Wohnzimmer auf euch.“
Luce geht voraus, als die beiden sich ausgezogen haben. Noch während sie durch die Tür geht, breitet sich ein gewinnendes Grinsen auf ihrem Gesicht aus, da Arthur und Tia ihr nebeneinander folgen.
„Stop!“, ruft Amara laut aus, just in dem Moment, indem die beiden unter dem Mistelzweig stehen.
Wie angewurzelt halten sie inne, während sie ihre Blicke nach oben auf den Zweig richten, auf den Amara deutet.
„Euer Ernst?“, meint Tia daraufhin, wobei sie vor allem Luce und Amara mit hochgezogener Augenbraue anguckt.
„Was ist das?“, fragt Arthur gleichzeitig.
„Ein Mistelzweig. Die alte Tradition verlangt, dass du Tia jetzt küssen musst.“, erklärt Luce ihm freudestrahlend.
Sofort läuft Arthur rot an, während er den Blick senkt und irgendwas undeutlich vor sich her stammelt. In diesem Moment wendet Tia ihm den Blick zu. Sie wirkt erst hoffnungsvoll, aber dann fällt ihre gute Laune in sich zusammen, als sie Arthurs Unwille bemerkt.
„Ihr bekommt kein Essen und keine Geschenke, wenn ich keinen Kuss sehe! Ich habe euch versprochen, dass ich euch zwingen werde, falls ihr es nicht alleine schafft. Das halte ich nun.“, wird Luce daraufhin strenger.
Sie hat die beiden so oft dazu gedrängt, über ihre Schatten zu springen. Jeder von ihnen hat ihr gesagt, was er für den anderen empfindet. Dennoch gehen sie seit Monaten nur miteinander aus und sind auch vorher nur umeinander herum geschlichen. Jetzt reichte es Luce. Sie will, dass ihre Freunde endlich glücklich zusammen werden.
Daher ignorierte sie die ungläubigen Blicke von Arthur und Tia, während sie stur bei ihrer Drohung blieb. Schließlich wendete sich Arthur Tia zu. Er starrte dennoch den Boden an und knibbelte mit seinen Händen aneinander herum.
„Möchtest du das denn?“, fragt er Tia schüchtern.
„Schon seit einer Ewigkeit.“, erwidert sie flüsternd.
Dabei greift sie nach seinen Händen, wodurch er endlich den Blick hebt und ihr in die Augen guckt. Wie in Zeitlupe lehnt er sich zu ihr hinunter. Dann gibt er ihr einen sanften, kurzen Kuss, den sie sofort erwidert. Es ist still im Raum, als die beiden sich voneinander lösen. Tias Augen strahlen, während sich auf ihren Lippen ein Lächeln ausbreitet. Auch Arthur entspannt sich wieder und zieht seine Freundin in eine seiner berüchtigten Bärenumarmungen.
Einige Zeit später haben die Freunde sich am Weihnachtsbaum versammelt. Sie haben noch ein paar Runden gekniffelt, bevor sie nun ihre Geschenke austauschen wollen. Unter dem Baum liegen schon einige Stapel, die Sam nach und nach verteilt. Luce kann es kaum erwarten, die Gesichter ihrer Freunde zu sehen, wenn sie die Päckchen von ihr öffnen. Schließlich bekommt Luce jedoch nur am Rande die vor Freude strahlenden Augen mit, da sie zu gerührt ist von dem Geschenk, was sie von Jacob erhält.
„Ich habe den Elben ausfindig gemacht, der deine Kette hergestellt hat. Dann überredete ich ihn, diese hier anzufertigen.“, erklärt Jacob, während er ihr ein schmales, quadratisches Päckchen überreicht.
Bei seinen Worten hebt Luce automatisch die Hand zu dem Schmuckstück, was um ihren Hals hängt. Diese Kette ist ebenfalls ein ganz besonderes Geschenk gewesen. Sie ist schon sehr alt, begleitet sie nun jedoch jeden Tag. Ohne sie fühlt Luce sich nackt.
Nun nimmt sie das Geschenk von Jacob entgegen, während sie ihn und anschließend das Päckchen bereits mit großen Augen anstarrt. Flink reißt sie das Geschenkpapier herunter, bevor sie bedächtig das Kästchen öffnet. Sie traut ihren Augen kaum, als sie den Inhalt sieht. Vor Freude kullern ihr ein paar Tränen aus den Augen. Zwei Ohrringe stecken in dem Kästchen. Im Hintergrund sind einige verschlungene Goldfäden, die sich von der Mitte nach Außen winden. Im Zentrum sitzt ein winziger Diamant, an dem rote Flügel befestigt sind. Die Ohrstecker sehen genauso aus wie ihre Kette nur kleiner.
Als Luce sie mit den Fingerspitzen sanft berührt, fährt eine Welle der Wärme durch ihren Körper. Der Elbe hat es erneut geschafft und einen Teil der Flamme des Lebensbaums in den Schmuck eingeflochten. Er hat ihnen Magie verliehen, die Luce nun unterstützen würde.
Abrupt richtet Luce sich auf und fällt Jacob um den Hals. Er erwidert ihre stürmische Umarmung, in die sie all ihre Dankbarkeit gelegt hat.
„Danke! Das ist das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe.“, flüstert sie ihm ins Ohr, während sie ihn an sich drückt.
„Es freut mich, dass es dir gefällt. Ich liebe dich, Luce!“, antwortet Jacob.
„Ich dich auch.“, erwidert sie mit wild klopfendem Herzen.